Matrosen wird nachgesagt, dass sie Legenden und Seemannsgarn erzählen würden. Ganz falsch ist das nicht. Doch nicht nur Schiffsbewohner haben die Angewohnheit, sich Geschichten auszudenken, die nicht ganz wahr oder einfach frei erfunden sind. Auch Landbewohner glauben mitunter an die eine oder andere Sache über die See, die Seefahrt oder das Leben auf und in dem Meer, was so einfach nicht stimmt. Hier ein paar Beispiele:

Augenklappe

Das klassische Bild eines Piraten mit Augenklappe ist uns allen bekannt. Doch nur die wenigsten haben eine Augenklappe getragen und wenige von diesen wenigen weil sie das Augenlicht verloren haben. Eine gängige Art und Weise ist die Arbeit mit einem Sextanten und das ’schießen‘ der Sonne. Da es damals keine guten Filtermöglichkeiten gab, kam es ab und zu vor, dass mit der Zeit derjenige sein Augenlicht eingebüßt hat, der öfters mit dem Sextanten in die Sonne geschaut hat. Aber wie viele konnten damals schon mit einem Sextanten umgehen? Eher verloren die Matrosen ihr Augenlicht durch Kämpfe oder das Schießen mit Musketen, denn beim Zielen und Abfeuern der damaligen Waffen kam es vor, dass kleinste Teilchen in alle Richtungen flogen und dadurch auch das Auge trafen.

Eine weitere gängige Theorie ist die der klugen Kampfführung. Bei einem Seegefecht verläuft es des öfteren so, dass zuerst auf das gegnerische Schiff geschossen wurde, bis man nah genug dran war, um es zu entern. Geschossen wurde mit den Stücken (Kanonen), die oftmals in den Unterdecks des Schiffes aufgestellt waren, gekämpft wurde wiederum aber auf Deck. Das brachte das Problem mit sich, dass man von der Dunkelheit unter Deck oftmals durch die Helligkeit auf Deck geblendet war und umgekehrt und kurzzeitig sich daran gewöhnen musste. Die Medizin spricht von einer Minute Gewöhnungsphase. Und da sind bestimmt damals einige kluge Köpfe auf den Gedanken gekommen, sich ein Auge zu zubinden mit einer Augenklappe, damit dieses dann schon an die Dunkelheit gewöhnt ist, für den Fall, dass man wieder unter Deck muss, sei es um die Kanonen weiter zu bedienen oder um im gegnerischen Schiff unter den Decks zu kämpfen. Da kann es schon von Vorteil sein, wenn man ein Auge hat, dass sich schon an die Dunkelheit gewöhnt hat.

Sogwirkung untergehender Schiffe

Möge uns allen das Miterleben eines untergehenden Schiffes erspart bleiben (wie es etwa der Astrid 2013 passiert ist). Sollte es doch irgend wann dazu kommen, ist der größte Grundsatz immer: nicht in Panik geraten. Zum Beispiel durch die Vorstellung, wenn man sich nicht weit genug von dem Schiff entfernt, zieht es einem in den Abgrund. Das kann es tatsächlich tun, wenn man an dem Schiff angebunden ist. Sonst ist das eher unwahrscheinlich, das so etwas passiert. Aus folgendem Grund. Ein Sog entsteht nur dadurch, dass das Wasser fließt, was im Meer bedeuten würde, dass Wasser auf dem Meeresspiegelniveau müsste irgendwo rein oder runter fließen zu einem Niveau, dass unterhalb des Meeresspiegel liegt. Erst so kann ein Sog entstehen. Theoretisch gesehen gibt es bei einem Untergang zwei Fälle, die einem gefährlich werden könnten. Das wäre zum einen, wenn das Schiff wie eine riesige Badewanne aufgebaut ist und beim Sinken die Seiten dieser ‚Schiffsbadewanne‘ das Meeresspiegelniveau erreichen und so das Meereswasser mit dem armen Matrosen in die Badewanne gesogen werden würde. Allerdings stellt sich dann auch die Frage, wie es die Badewanne schafft zu sinken, wenn noch so viel Luft und Auftrieb vorhanden ist. Der zweite Fall, der eher weniger mit Sog zu tun hat, wäre, wenn ganz viel Luft aus dem untergehenden Schiff aufsteigt und dort an die Oberfläche tritt, wo der Matrose schwimmt. Dann würde der Matrose theoretisch gesehen in diese riesige Luftblase rein fallen und dann von dem Meer umschlossen werden. Aber das ist schon sehr theoretisch. Man muss sich einfach vor Augen führen, dass nicht etwa das Schiff ins Wasser stößt, wenn es untergeht, sondern das sich das Wasser langsam um die Schiffsteile verteilt. Dadurch sollte eine so starke Sogwirkung, wie sie gerne dargestellt oder gedacht wird, eher ins Reich des Seemannsgarn gehören. 

Zweck von Kanonen

Früher Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Meere voll mit großen majestätischen Schiffen, die entweder zum Handeln um die Welt fuhren oder mit Kanonen (auf Schiffen Stück, Plural Stücke genannt) bewaffnet Häfen und Konvois bewacht oder andere Schiffe angegriffen haben. Die Luft erfüllte sich mit Rauch, die Kugeln flogen, das Holz splitterte und der Gegner sank. Hoffentlich nicht das letztere. Auch wenn auf den ersten Blick es so scheint, dass mit den tonnenschweren Geschützen, bis zu 120 manchmal die bis zu 68 Pfund schwere Kugeln verschossen haben, der einzige Zweck bestand, den Gegner zu versenken, so war das die wirklich aller letzte Option die in einem Seegefecht. Kanonen wurden dazu genutzt, das gegnerische Schiff manövrierunfähig zu machen, die gegnerische Besatzung zu dezimieren, das Rigg zu beschädigen und die gegnerischen Geschütze unschädlich zu machen. Jede Möglichkeit wurde genutzt, das gegnerische Schiff aufzubringen und wirklich nur im aller letzten Fall wirklich zu versenken. Denn ein aufgebrachtes Schiff brachte ordentlich Prisengeld!

Planke über Bord

Es geistert ja bei vielen in den Köpfen rum, dass gerade Piraten damals Gefangene über die Planke gehen ließ. Allerdings gibt es dafür nur sehr sehr wenig Belege, weniger als Finger an einer Hand oder die Promillezahl der wiederkehrenden Landgänger. Warum sollten sich die Piraten auch die Mühe machen, für jemanden den sie über Bord haben wollen, extra eine Planke auszubringen? Am liebsten wurde die betreffende Person gleich über Bord geschmissen, dass war wesentlich einfacher und bestimmt genauso lustig, nur nicht für den über Bord gegangenen.

Pressgänge

Was für manche jetzt für ein Träumchen klingt, waren doch für Landratten damals nicht so toll. Es gab Presskommandos, eine Meute von Schiffen, die durch die Stadt gezogen in Kneipen eingedrungen sind, um die dort anwesenden Männer mit auf das Schiff zu zerren. Entweder man kam freiwillig mit oder man wurde nieder geknüppelt und ist dann auf dem Schiff wieder aufgewacht. Angeblich soll das damals in dem alten England ganz schlimm gewesen sein. Auch Matrosen von anderen Schiffen, besonders von Handelsfahrern fanden sich so unverwandt auf einem Kriegsschiff seiner Majestät wieder, was für die eher nicht erstrebenswert war. Und für Landratten war es deswegen so schlimm, weil sie dadurch aus ihrem alten Leben gerissen wurden und sich auf einmal auf einem ganz neuen Element wieder fanden.

Doch so schlimm war es damals nicht, was auch daran liegt, dass man das Wort ‚pressen‘ falsch versteht. Es geht darauf hin zurück, dass dem ’neuen‘ Matrosen ein Goldstück in die Hand gepresst wurde, welches als Einführung in die Navy angesehen wurde. Auch um die zurück gebliebenen Frauen wurden sich gekümmert. Meistens lief es doch eher gewaltlos ab.

Es gab natürlich noch die Praktik des ’shanghaien‘. Diese kommt aus dem gleichnamigen Ort, eine Stadt mit damals schon vielen Einwohnern und noch mehr Schiffen, die sich dort zum regen Handel trafen. Rechtlose, Tagelöhner und politische Gegner wurden mit Gewalt oder List oder unter der Zuhilfenahme von Drogen aus dem Weg geschafft indem sie auf Schiffe geschafft wurden. Doch soweit verbreitet in der restlichen Welt war es dann doch nicht, dass man fürchten musste, bei jedem Kneipenbesuch verschleppt zu werden.

Segelfächer

Auch in den Köpfen von so manchen Matrosen hält sich das eine oder andere Seemannsgarn. Ab und an hört man davon, dass bei einem rahgetackelten Schiff die Rahen beim Brassen nicht genau parallel zueinander gebrasst werden, sondern die oberen Rahen etwas mehr angebrasst als die unteren. Eine Erklärung dafür war, dass in den oberen Luftschichten der Wind aus einem anderen Winkel kommt als in den unteren. Eine physikalische Erklärung habe ich dafür allerdings noch nicht gefunden. Eine andere Erklärung in dieser Hinsicht macht viel mehr Sinn. Der Grund für den Segelfächer besteht darin, dass man so schneller erkennen kann ob man zu hart am Wind ist und die Segel drohen, einzufallen, ohne das alle Segel einfallen. Den wenn zum Beispiel die Royal weniger hart angebrasst ist, als die unteren Segel, dann fällt dieses auch eher ein, wenn man zu hart an den Wind kommt und man kann rechtzeitig reagieren ohne Gefahr zu laufen, alle Segel einfallen zu lassen.

Eine andere Erklärung, die ich euch nicht vorenthalten möchte ist, das die oberen Segel leichter, kleiner und schmaler sind, weshalb sie durch auch noch sehr spitzen Wind gut gefüllt stehen. Die großen Untersegel tun sich in dieser Hinsicht schwerer.

Kap Horn

Kap Horn. Bei der Erwähnung diesen Ortes lässt es Seefahrer aller Wert ehrfürchtig werden. Den sie verbinden diesen Ort als ein Platz, an dem es ums Überleben und ums Überqueren zu kämpfen gilt, da dort immer Stürme toben, die eine Umrundung sehr schwierig machen.

Hier ein paar Fakten zum Kap Horn. Die Temperaturen schwanken zwischen 5 bis 13 Grad das ganze Jahr über. Frost gibt es dort so gut wie keinen und an über 280 Tagen im Jahr regnet es. Der Wind kommt fast immer aus westlicher Richtung, was eine Umsegelung von Osten schwierig macht. Im Januar weht der Wind mit mindestens 5 Beaufort, aber nur einmal im Monat mit 8 oder mehr. Im Juli gibt es 8 Beaufort fast jeden dritten Tag und damit auch vermehrte Sturmbedingungen. Und obwohl es als die gefährlichste Stelle der Schifffahrt gilt, kommt es nur davon, da es immer stark frequentiert war.

Als Kapfahrer dürfen sich die Matrosen bezeichnen, die einmal das Kap besegelt haben. Kap Horn Fahrer darf sich nur der nennen, der das Kap von Osten nach Westen bezwungen hat.